“Eine Linie zeichnen.
Hier und da sind geteilt.” ⎛Yeun Song⎠
Zu Beginn von Yeun Song's künstlerischer Praxis steht die Linie, welche die Fläche teilt und somit eine Grenze zieht. Die entstehende Barriere ist ein wiederkehrendes Motiv in Songs Arbeiten.
Wie kann diese Trennung und die daraus resultierende Unterscheidung zwischen Hier und Da in einem Objekt ausgedrückt werden? Wie lassen sich räumliche Distanzen und Beziehungen in einer Installation visualisieren? Wie kann man Raum darstellen, der von Wänden begrenzt wird?
Diesen Fragen geht die Künstlerin Yeun Song in ihren Arbeiten nach, dabei nutzt sie architektonische Elemente, wie Wände, Säulen, Pfeiler, Fenster und Baumaterialien, unter anderem Beton, Holz und Metall. Song nähert sich dem Raum an, indem sie Wände errichtet, die sie im nächsten Schritt wieder abbricht, um die Abwesenheit dieser Grenzen zu veranschaulichen. Diese gegensätzlichen Handlungen finden Ausdruck in ihren Installationen.
Neben den allgemeinen architektonischen Komponenten verwendet die Künstlerin auch Motive der defensiven Architektur wie Zäune, Stacheln und Poller. Sie kommen zum Einsatz, um Menschen oder bestimmte Personengruppen abzuwehren und auf Distanz zu halten. Songs Arbeiten sollen uns jedoch nicht abweisen oder auf Distanz halten die Künstlerin versucht vielmehr diese Mechanismen auszuhebeln. Die Barrieren, derer sich Song bedient, sind im Werk leicht zu identifizieren, doch außerhalb ihres ursprünglichen Kontexts verlieren sie ihre Funktion.
In der Arbeit Lying Bollard beispielsweise liegt der Poller auf dem Boden, er kann seiner Aufgabe nicht mehr nachkommen und ist somit nutzlos.
Bei Song stehen diese Symbole der Abwehr im Kontrast zu verbindenden Elementen, wie dem Spiegel, der den Raum ins Unendliche erweitert und die Betrachter*innen in die Installation integriert. In der Arbeit Lasso lässt sich dieses Spannungsverhältnis von Distanz und Nähe nachvollziehen. Der Spiegel an der Wand findet sein Äquivalent in dem am Boden liegenden Schatten. Die Drahtseile verdeutlichen die Zusammen gehörigkeit des Spiegels und seines Gegenstücks, visualisieren jedoch gleichzeitig auch den Abstand der beiden. Auch die Spitzen am Ende der Drahtseile verstärken den Eindruck von Distanz.
Neben diesem Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz sind Songs Installationen auch formal voller Gegensätze: filigranste Linien treffen auf massive Strukturen, spiegelnde Ebenen auf matte Oberflächen, Hell steht neben Dunkel, reflektierende Materialien treffen auf lichtabsorbierende Strukturen. Die den Objekten inhärenten Gegensätze, die präzise Konstruktion der Installationen und die Verwendung von Nägeln, Ketten und von schwarzem Holzes erwecken Assoziationen zu Folterinstrumenten oder Maschinen.
Cross the Line ist die erste Einzelausstellung von Yeun Song,
die in Dresden lebt und arbeitet und an der Hochschule für Bildenden
Künste studiert. Die in Südkorea geborene Künstlerin ist Preisträgerin des
2021 ausgelobten Stephanie Zonta Kunstpreises.
Die Galerie Stephanie Kelly verlieh den Kunstpreis gemeinsam mit
dem Zonta Club Dresden e. V., einem weltweiten Zusammenschluss berufstätiger Frauen,
die sich dafür einsetzen, die Lebenssituation von Frauen im rechtlichen, politischen,
wirtschaftlichen und beruflichen Bereich zu verbessern. Aus diesem Wunsch heraus
stiftete der Zonta Club Dresden das Preisgeld in Höhe von 2000 Euro und ermöglicht damit die Förderung
junger und regionaler künstlerischer Positionen.
“Draw a line.
Here and there are divided.” ⎛Yeun Song⎠
Yeun Song's artistic practice begins with a line that divides the surface and thereby draws a boundary. The barrier that results is a recurring motif in Song‘s work.
How can this division and the resulting distinction between here and there be expressed
in an object? How can spatial distances and relationships be visualized
in an installation? How can one represent a space that is limited by walls?
Artist Yeun Song explores these questions in her work, using architectural
elements such as walls, columns, pillars, windows, and materials used in home
construction, including concrete, wood, and metal. Song approaches space by building walls,
which she demolishes in the next step to visualize the absence of these boundaries. These differing
actions find expression in her installations.
In addition to the more general architectural components,
the artist also uses motifs of hostile architecture such as fences,
spikes, and bollards. They are used to repel people or certain groups
of people and keep them at a distance. Song's works, however, are not meant
to repel us or keep us at a distance; rather, the artist attempts to undermine
these mechanisms. The barriers Song uses are easy to identify in her work,
but when taken out of their original context, they lose their function.
In the work Lying Bollard the bollard lies on the ground,
it can no longer fulfill its purpose and is therefore useless.
In Song’s work, these symbols of defense contradict connective
elements such as the mirror, which expands the space to infinity and integrates
the observer into the installation. In Lasso, this tension between distance
and closeness can be traced. The mirror on the wall has an equivalent, a shadow
lying on the floor. The wire ropes illustrate that the mirror and its counterpart belong together,
but at the same time they visualize the distance between the two. The spikes at the end of
the wire ropes also reinforce the impression of distance.
In addition to this interplay between closeness and distance, Song‘s installations
are in formal aspects full of contrasts as well: delicate lines meet massive structures,
mirrors meet matte surfaces, light juxtaposes dark, reflective materials in contrast
with lightabsorbing structures. The contradiction which is inherent in Song’s objects,
the precise construction of the installations and the use of nails, chains and the
black wood evoke associations with instruments of torture or machines.
Cross the Line is the first solo exhibition of Yeun Song, who lives and
works in Dresden and studies at the Hochschule für Bildenden Künste.
The South Korean-born artist is the winner of the 2021 Stephanie Zonta Art Prize.
The Stephanie Kelly Gallery awarded the art prize together with The Zonta Club Dresden e. V.
is part of a worldwide association of professional women who are also committed
to improving the lives of women in the legal, political, economic and professional
spheres. Out of this desire, the Zonta Club Dresden donates the prize money
and thus enables the promotion of young and regional artistic positions.